Die Kraft des Duos: Führungstandems bei Fujitsu

Der Technologiekonzern erprobt das Job-Sharing auf Führungsebene. In dem Modell liegt großes Potenzial – auch um mehr Vielfalt und Diversität in der Firma zu schaffen.

Der Arbeitstag von Inga Theunert und Gabriele Saidowski beginnt um 8.30 Uhr stets mit einem Telefonat. Eine halbe Stunde sprechen die beiden HR-Managerinnen von Fujitsu Deutschland jeden Morgen miteinander. Sie haben viel miteinander zu bereden. Denn sie teilen sich gemeinsam die Personalleitung bei dem Technologiekonzern für die Regionen Zentral- und Osteuropa.

Jeden Mittwochmorgen startet bei Fujitsu ein weiteres Führungsduo mit einem ausführlichen Telefonat in den Arbeitstag. Cornelia Kühling (s. links im Titelbild) und Georgia Wessing (r. im Titelbild) leiten gemeinsam den Bereich Optimization & Support innerhalb der Business Line Service Central Europe. Die Abteilung kümmert sich um Prozessoptimierungen und Unterstützungsleistungen für die Presales- und Projektmanagement-Organisation des Anbieters von ITK-Geschäftslösungen. Mittwoch ist der „Überschneidungstag“ der beiden Co-Chefinnen. Montag und Dienstag hat Wessing das Kommando, ab Donnerstag übernimmt Kühling.

Inga Theunert ist eine der HR-Managerinnen bei Fujitsu.
Inga Theunert ist eine der HR-Managerinnen bei Fujitsu.

Die vier Managerinnen sind die ersten Protagonistinnen eines Arbeitsmodells, welches Fujitsu künftig stärker erproben möchte: des Führungstandems. Die Doppelspitze hat viele Vorteile. Sie ermöglicht es Führungskräften, in Teilzeit weiter eine Leitungsposition auszuüben. Und auch die Firma profitiert. Zwei Menschen bringen ihre geballte Kompetenz in den Job ein – umfassender und vielfältiger, als es eine einzelne Person jemals könnte.

„Tandems können dazu beitragen, Diversität in einem Unternehmen zu fördern“, meint HR-Chefin Saidowski im Podcast „Diversity Insights“. Bei zeitintensiven und komplexen Aufgaben könne man so „mehr Personen die Möglichkeiten geben, dort einzusteigen“. Ihre Tandem-Partnerin Theunert glaubt, es würde sich lohnen, das Doppelspitzen-Modell „zu systematisieren und einen Matching-Prozess dazu aufzusetzen“.

Das erste Fujitsu-Tandem entsteht aus Eigeninitiative. Cornelia Kühling kehrt Anfang 2019 aus einer Elternzeit zurück und möchte Teilzeit-Arbeit mit einer Führungsaufgabe verbinden. Kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes hatte sie, damals noch in Vollzeit, einen großen Karriereschritt gemacht und will auch nach dem zweiten Kind in Führungsverantwortung arbeiten. Sie regt im Konzern das Doppelspitzen-Modell an. Ihre spätere Co-Chefin Georgia Wessing kennt sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Auch Wessing, Mutter zweier Teenager-Söhne, arbeitet 30 Stunden auf demselben Führungslevel. Nach einer Umstrukturierung musste sie Teile ihres Teams abgeben und hatte Kapazitäten frei.

Gabriele Saidowski ist die zweite HR-Managerin bei Fujitsu.
Gabriele Saidowski ist die zweite HR-Managerin bei Fujitsu.

Seit April 2019 leiten beide Frauen den inzwischen dreizehnköpfigen Service-Bereich. Die Abteilung bauen sie komplett neu auf. Da sie in unterschiedlichen Städten leben – Kühling wohnt in Augsburg, Wessing in Düsseldorf – wird viel telefoniert und konferiert. Im Technologiekonzern Fujitsu sind solche über ganz Deutschland verstreute Teams nichts Ungewöhnliches. Remote-Work und Homeoffice zählen hier bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie zum Arbeitsalltag.

Auch das HR-Führungsduo Saidowski und Theunert steuert den gemeinsamen Bereich aus zwei Standorten: Saidowski aus Düsseldorf, Theunert aus Frankfurt. In ihrem Fall regte ihre gemeinsame Vorgängerin die Doppelspitze an.

Das Erfolgsgeheimnis für ein erfolgreiches Führungstandem beschreiben die vier Fujitsu-Frauen übereinstimmend: Man muss sich vertrauen, sich verstehen – und einander ergänzen. Im HR-Gespann kann Theunert ihren internationalen und strategischen Background einbringen, während Saidowski mehr lokalere und operative Erfahrung beisteuert. Im Support-Duo ist Wessing mehr in den technischen Themen, Kühling mehr in Vermarktungsthemen zu Hause. „Jede von uns bringt Fähigkeiten und Erfahrungen ein, die in der Kombination einen Mehrwert ergeben. Die Firma profitiert und bekommt das Beste aus zwei Welten“, beschreibt HR-Chefin Theunert das Prinzip.

Bei aller fruchtbaren Unterschiedlichkeit braucht es auch Gemeinsamkeiten. „Wir ticken von den Grundwerten und den Zielen, die wir erreichen wollen, sehr ähnlich“, sagt Kühling. „Man muss nicht immer einer Meinung sein“, findet Theunert, „aber man sollte sich grün sein.“

Als Teil eines Führungsduos sollte man zudem kritikfähig sein. „Wer alles selbst entscheiden will, wird sich schwertun“, sagt Wessing. „Eine darf sich nicht eingeschränkt fühlen, wenn die andere etwas entschieden hat.“ Sie und ihre Tandempartnerin haben sich als gegenseitige Sparringspartnerinnen schätzen gelernt. Es sei bisweilen „enorm hilfreich, den Spiegel vorgehalten zu bekommen“, findet Kühling.

Theunert und Saidowski empfehlen zudem „eine klare Aufgabenteilung“. Zuständigkeiten sollten exakt aufgeteilt und „konsequent eingehalten werden“, sagt Saidowski.

Nicht nur aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen sehen die HR-Chefinnen in dem Modell großes Potenzial. „Tandems können ein wichtiges Modell für die Personalentwicklung sein“, sagt Theunert.

Theunert und Saidowski können sich dabei auch völlig andere Duo-Kombinationen vorstellen, an denen nicht nur Frauen sondern auch Männer beteiligt sind oder andere Diversitäts-Dimensionen eine Rolle spielen. Für viel versprechend hält Theunert zum Beispiel die Kombination einer jüngeren und einer älteren Person, um einen „Knowledge-Transfer oder der Übergabe von Verantwortung“ zu unterstützen. „Führungstandems sind auf keinen Fall ein Modell, dass nur auf Frauen beschränkt sein sollte“, findet Wessing.

Die beiden Führungs-Tandems sollen auf jeden Fall nicht die einzigen im Konzern bleiben. „Wir sind vom Top-Sharing absolut überzeugt und werden das weiter vorantreiben“, erklärt Doris Kish, Verantwortliche für Vielfalt und Inklusion bei Fujitsu Zentral- und Osteuropa.

 

In den „Diversity Insights“ hat sich Impact-of-Diversity-Gründerin Barbara Lutz ausführlicher mit Inga Theunert und Gabriele Saidowski unterhalten. Das Gespräch gibt’s ab morgen, 24. Februar 2021, auf Spotify.