Warum Digitalisierung und Diversity zusammenhängen
Auf der FKi Fachkonferenz diskutierte eine hochkarätige Runde aus Top-Manager:innen die Wechselwirkungen zwischen Vielfalt, Digitalisierung und den Folgen der Corona-Pandemie.
Wirft die Corona-Krise die deutsche Wirtschaft auf ihrem Weg zu mehr Vielfalt und Diversität zurück? Sind es die Frauen, die im Homeoffice in alte Rollenklischees zurückgedrängt werden? Oder stößt die Pandemie indirekt auch positive Entwicklungen an? Zwingt sie womöglich die deutschen Unternehmen dazu, flexibler, innovativer – und damit vielleicht sogar diverser zu werden?
Diese Fragen standen im Zentrum der diesjährigen FKi-Fachkonferenz. Die Veranstaltung ist selbst ein Beispiel für die Umbrüche im Zuge der Pandemie. Sie konnte nicht wie geplant im Berliner Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stattfinden, das auch dieses Jahr wieder die Schirmherrschaft inne hatte. Die Ergebnisse der diesjährigen Studie des Frauen-Karriere-Index präsentierte Gründerin Barbara Lutz deshalb im Rahmen einer virtuellen Konferenz.
Firmen mit diversen Strukturen setzen sich ab
Den Zusammenhang zwischen Innovation, Digitalisierung und Diversity belegt eine aktuelle Analyse des FKi. Unternehmen, die sich aktiv um mehr Vielfalt und Frauen in Führung bemühen, haben auch bessere Remote-Work-Infrastrukturen. Dies zeigt ein Vergleich der vom FKi zertifizierten Unternehmen mit dem deutschen Durchschnitt. „Firmen mit modernen und diversen Strukturen setzen hier sich weiter von traditionellen Unternehmen ab“, stellt Barbara Lutz fest. Dort nutzten bereits vor Corona 67 Prozent der Vorstände regelmäßig das Home-Office.

In der durch Corona bedingten Remote-Arbeit liegen sowohl Chancen wie Risiken. Dieser Ansicht waren die sieben Top-Managerinnen und Top-Manager, die gemeinsam mit Barbara Lutz und Co-Moderator Stefan König über die Wechselwirkungen von „Gender Diversity, Innovation und Corona“ diskutierten. „Kurzfristig könnten zwar alte Rollenmodelle wieder aufbrechen“, sagt Martin Seiler, Personalvorstand der Deutschen Bahn. Aber mit der zunehmenden Digitalisierung entstünden auch „neue Formen der Teilhabe“. Gerade in den Krisenmonaten habe die Bahn die Erfahrung gemacht, dass diverse Teams erfolgreicher seien.
Ähnliches berichtet Hans-Peter Kleitsch, Senior Vice President HR bei MTU Aero Engines. Beim Münchner Triebwerkhersteller habe man gute Erfahrungen mit einem vielfältig zusammengesetzten Krisenteam gemacht. Die „bunte Mischung aus Alt und Jung, Frauen und Männern und Personen aus unterschiedlichen Disziplinen“ habe zu „vielen frischen Ideen geführt. Das ist genau das, was wir erreichen wollen“.
Corona als „Inkubator“
„Flexibilisierung der Arbeit und New Work sind ja keine Kinder der Pandemie“, stellt Katja van Doren, Finanz- und Personalvorständin der RWE Generation SE, fest. Corona sei hier vielmehr ein Beschleuniger und „Inkubator“ dieser Entwicklung. Das virtuelle Arbeiten habe sogar an einigen Stellen geholfen, Hürden und Hierarchien abzubauen, meint Christin Eisenschmid, Geschäftsführerin bei Intel Deutschland. Der direkte Weg zur Zentrale in den USA ist nun nur noch einen Mausklick entfernt. „Dadurch, dass alle Besprechungen virtuell stattfinden, ist die Bereitschaft größer geworden, Kollegen aus unterschiedlichen Zeitzonen einzubeziehen“. Die fortschreitende Digitalisierung könne aber auch manche Menschen abhängen, warnt Jan Ising, Managing Director & Women Initiative Lead, Accenture. „Der Zugang zur Technik kann zum entscheidenden Differenzierungsfaktor werden“. Deshalb sei es wichtig, „digitale Kompetenzen weiterzuentwickeln.“

Einig waren sich alle Podiumsgäste über die Wichtigkeit, das Thema Diversität und Frauenkarrieren in der Unternehmenskultur zu verankern. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Führungskräfte – gerade in einem zunehmend digitalisierten Arbeitsumfeld. „Wir brauchen inklusive Führung in einem digitalen Umfeld“, sagt Karin Overbeck, CEO Freudenberg Home and Cleaning Solutions. Die Top-Manager stellten schließlich „die entscheidenden Weichen, wie man diskutiert und Entscheidungen trifft mit Hilfe von neuen Tools“.
Konkrete KPIs sind wichtig
Hilfreich sei dabei, wenn die Verantwortung für das Thema möglichst weit oben im Unternehmen angesiedelt sei. Bahn-Vorstand Seiler sieht Diversität eindeutig als „Vorstandsthema. Nur so bekommt man hier Dynamik rein“. Freudenberg-Geschäftsführerin Overbeck und Accenture-Manager Ising betonen, die Zuständigkeit dürfe nicht allein bei der HR-Abteilung liegen. „Nur wenn die Verantwortung auch im operativen Business liegt, bekommt das Thema die notwendige Breite“, sagt Overbeck.
Der Weg zu mehr Chancengleichheit führe vor allem über konkrete Ziele und Vorgaben, erklärten alle Teilnehmer übereinstimmend. Accenture etwa will bis 2025 eine ausgewogene Zusammensetzung der Belegschaft erreichen. Bis 2030 strebt Intel eine Verdoppelung der Zahl der weiblichen Führungskräfte an. Auch bei der österreichischen Bundesbahn (ÖBB) arbeite man mit „mit sehr konkreten Zielvorgaben und Quotenregelungen“, berichtet ÖBB-Infrastruktur-Vorständin Silvia Angelo. „Genauso, wie wir ein EBITDA-Ziel haben, haben wir auch klare Diversity-KPIs“, sagt RWE-Generations-Vorständin van Doren.
Insbesondere bei technischen Berufen und MINT-Branchen sieht die Runde noch Nachholbedarf. In den kommenden neun Jahren will Intel 40 Prozent der technischen Positionen mit Frauen besetzen. Der Triebwerkhersteller MTU schreibt seit kurzem eine Frauen-Quote von 60 Prozent bei der Neueinstellung von Trainees vor. „Denn das sind die Führungskräfte der Zukunft“, erklärt Personalchef Kleitsch. „Es ist wichtig, dass Technik nicht nur grammatikalisch weiblich ist, sondern dass sich das auch im Frauenanteil der technischen Berufe widerspiegelt“, meint Bahn-Vorständin Angelo.