Wider den Ausreden

Wie lassen sich Stereotype in den Köpfen überwinden, die in deutschen Unternehmen immer noch mehr Vielfalt verhindern? Darum ging es im zweiten Think Tank des Impact of Diversity.

Es sind Sätze, die in vielen deutschen Unternehmen bis heute immer wieder zu hören sind: „Wir stellen nicht nach Geschlecht ein, nur nach Leistung“; „Menschen mit Behinderung sind nicht so leistungsfähig“; „Wir würden ja gerne mehr Frauen in Führungspositionen einstellen – aber es gibt in unserer Branche nicht genügend qualifizierte Frauen“.

Personaler, die sich in ihren Firmen für mehr Vielfalt und bessere Bedingungen für Frauenkarrieren einsetzen, kennen diese Ausreden gut. Wie damit umgehen? Und wie lassen sich diese jahrzehntelang gepflegten Vorbehalte überwinden?

„Die Ausreden sind bei allen Themen ziemlich ähnlich“

Über diese Frage diskutierten VertreterInnen der Partner-Initiativen des Impact of Diversity 2021 in einem Think Tank. Denn gleich, ob es um Frauenkarrieren, um die Einstellung von Behinderten, um LGBTQ+ oder um bessere Chancen junger Menschen aus nichtakademischen Familien geht – „die Ausreden sind bei allen Themen ziemlich ähnlich“, fasst „Impact of Diversity“-Initiatorin Barbara Lutz zusammen. An dem Think Tank teilgenommen haben Vertreter von Mission Female, PANDA, Digital Media Women, Netzwerk Chancen, herCAREER und Väter gGmbH.

Contra-Diversity-Argumente der Unternehmen
Contra-Diversity-Argumente der Unternehmen

Mehr als 50 Anti-Argumente füllten am Ende die virtuelle Pinwand. Sie beschreiben eine Kultur, wie sie nach wie vor den Alltag vieler deutscher Unternehmen bestimmt. „Wir haben es mit einer Kulturfrage zu tun“, stellt Maren Martschenko von der Initiative Digital Media Women fest. Diese Haltungen zu verändern, sei ein „ziemlich dickes Brett“, sagt Isabelle Hoyer, Gründerin des Woman-Leaderhip-Netzwerks Panda. Denn diese „sind wie sie sind, weil sie den Status Quo festigen“. Und es seien vor allem die derzeitigen überwiegend männlichen Entscheider, die von diesem System profitierten.

In Deutschland sind die Vorstands- und Führungsetagen im internationalen Vergleich besonders monoton und männlich zusammengesetzt. Abhilfe schaffen könnten mehr Vorbilder und ManagerInnen beiderlei Geschlechts, die öffentlich für mehr Vielfalt eintreten. Die aber sind schwer zu finden, so die einhellige Erfahrung. „Viele erfolgreiche Top-Managerinnen sagen hinter vorgehaltener Hand: wenn ich mir dieses Fähnchen auch noch anhefte, habe ich es noch schwerer“, berichtet Hoyer. „Die Angst bei Männern, sich zu diesem Thema zu exponieren, ist womöglich noch größer“, vermutet Volker Baisch von der Initiative Väternetzwerk. „Viele männliche Führungskräfte schrecken immer noch zurück eine längere Elternzeit zu nehmen.“

Gleiche Karrierechancen für Frauen

Im Zentrum der Diskussion stehen gleiche Karrierechancen für Frauen. Vergleichbaren Sterotypen sehen sich auch Menschen mit Behinderung gegenüber, sagt Silke Georgi. Hier sei das Problem nur viel grundlegender. „Es geht weniger um eine Quote in den Vorständen oder Führungsebenen, sondern darum, dass Menschen mit Behinderungen überhaupt eingestellt werden“, betont die Projektleiterin bei der Inklusions-Initiative Sozialheld*innen. Die Ausgleichsabgabe, die Unternehmen zahlen müssen, wenn sie nicht die gesetzlich vorgeschriebene Anzahl Schwerbehinderter einstellen, sei „viel zu niedrig“. Die Möglichkeit, sich mit Abgabe oder der Auftragsvergabe an Behindertenwerkstätten freizukaufen, verhindere letztlich echte Inklusion, sagt Georgi. „Das verfestigt nur das System“.

Wie also lässt sich die Un-Kultur der Ausreden überwinden? Über die Positivbeispiele reden, findet Natascha Hoffner, Gründerin der Karrieremesse herCAREER. „Wir konzentrieren uns auf die Unternehmen, die etwas verändern wollen und machen sie als Top-Arbeitgeber sichtbar.“ Ähnlich sieht das auch die Unternehmensberaterin Begonia Merayo vom Karrierenetzwerk net4tec. Man brauche deshalb Anstöße von außen. „Viele Unternehmen wären gerne Pioniere – haben aber Angst, die ersten zu sein“.

Im täglichen Ringen helfen Positivargumente – und von denen gibt es mindestens so viele wie Anti-Stereotypen. Sie waren am Ende des Workshops in großer Zahl auf der virtuellen Pinwand zu lesen: „Ohne Diversity werden wir nicht überleben“. Oder auch: „Wir wollen ein attraktiver Arbeitgeber sein“. Manche Sätze machen durchaus Hoffnung, dass sich in den Unternehmen etwas verändert. „Wir wissen, dass wir blinde Flecken haben, an denen wir arbeiten wollen“. Zum Beispiel bei internationalen Konzernen: „Wir bekommen da Druck aus den USA“.

In einem weiteren Think Tank werden die Ergebnisse von Verantwortlichen aus den beim Impact of Diversity engagierten Unternehmen diskutiert.

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